Vor einiger Zeit wurde ich in ein Webinar eingeladen. Ich habe mich angemeldet – neugierig, was da passiert.
Und dann lief es ab wie ein Uhrwerk, oder sollte ich sagen, wie aus dem Onlinemarketing-Lehrbuch.
Zuerst kam die Story. Persönlich, emotional, authentisch – so sollte es wirken. Dann wurde Autorität aufgebaut: Wer bin ich? Was habe ich erreicht? Warum kannst du mir vertrauen? Dann wurde Begeisterung gehypt. Ich sollte emotional spüren, wie großartig das alles werden wird, wenn ich mitmache. Und am Ende natürlich die Boni. Sechs Stück an der Zahl. Ich konnte es nicht glauben. Natürlich jeder einzelne „nur heute“ verfügbar.
Obwohl die Anbieter sympathisch waren, war der Druck spürbar – nicht laut, nicht aggressiv – aber er war da.
Ich habe trotzdem gekauft. Nicht weil ich manipuliert wurde, sondern weil ich sehen wollte, wie es weitergeht. Ich wollte verstehen, wie tief dieses System geht.
Und es ging tiefer, als ich dachte.
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Was hier eigentlich passiert
Im Programm wurde ein Storytelling-Workshop angeboten. Was tatsächlich kam, war eine How-to-Anleitung, wie man eine Conversion-Story erstellt. Hier wird eine Story kreiert, damit die Menschen am Ende kaufen. Aber eine Conversion-Story simuliert eine Beziehung. Sie schafft noch keine echte Verbindung. Hier ist die Story das Werkzeug, um etwas zu erreichen. Um Menschen zu etwas bewegen. Um sie zu einer Entscheidung zu bringen, die sie vielleicht gar nicht treffen wollten.
Und das ist der Unterschied:
Wenn ich eine Geschichte erzähle, dann um etwas anschaulich zu machen, was mich gerade bewegt – sie kommt aus dem Herzen, so als würde ich mit dir zusammen am Lagerfeuer sitzen. Ich will Menschen über meine Frequenz erreichen. Über das, was ich aussende. Über echte Verbindung. Nicht über Druck.
Das ist das alte Marketing-Spiel: Menschen werden nicht als mündig behandelt. Ihnen wird unterstellt, dass sie nur durch Druck, durch Boni, durch Storytelling – und nur dadurch – eine Entscheidung treffen können.
Nicht durch Stimmigkeit, echte Beziehung und Vertrauen.
Und alle spielen mit.
Nicht weil sie bewusst manipulativ sind – das sind die wenigsten. Sondern weil sie es nicht besser wissen, und es funktioniert. Weil der Weg erprobt ist. Weil es sicherer ist, in eine Richtung zu laufen, in die alle laufen.
So wird aus einer Methode ein Standard. Aus einem Standard eine Norm. Und eine Norm wird unsichtbar. Mit der Zeit entsteht so ein System, das niemand mehr in Frage stellt. Es wird eben so gemacht. Basta!
Aber was passiert, wenn du nicht mehr mitlaufen willst, oder kannst, weil dein Wertesystem rebelliert?
Meine eigene Geschichte – in Etappen
Mir ist das schon früh aufgefallen.
In den Werbeagenturen und Marketingabteilungen wird gelogen. Nicht immer direkt, nicht immer offensichtlich – aber es wird manipuliert. Um etwas zu erreichen. Um etwas zu verkaufen.
Hier fällt mir eine Geschichte ein, die nachdrücklich war. Ich hatte gerade eine neue Position als Marketingleiterin von zwei Kliniken angenommen. Das Leitbild der Klinik war „Die Tür steht offen, mehr noch das Herz.“. Das gefiel mir. Aber bereits nach wenigen Wochen spürte ich, dass es nur eine Scheinoffenheit war. Das war nicht nur im Umgang spürbar, sondern auch tatsächlich, denn alle Türen waren schwer gängig. Ich musste mich mit dem ganzen Körper dagegen lehnen. Wie sollte ich diese Kliniken da wirklich überzeugt nach außen vertreten?
Mein Wertesystem rebellierte. Deshalb bin ich damals weggegangen.
Ich war vierzehn Jahre als Coach tätig. Aber dann bin ich zurück ins Marketing – weil ich online gehen wollte. Und weil ich dachte: Ich mache es anders. Um es anders machen zu können, musste ich erst verstehen, wie es läuft. Also bin ich noch mal reingegangen, habe gelernt, beobachtet und selbst Strategien entwickelt.
Und habe mich daran gerieben.
Denn recht bald habe ich gemerkt, dass das Onlinemarketing Beziehungen funktionalisiert. Es macht aus Verbindung eine Kundenreise – mit Steps, mit Triggern, mit Druckpunkten.
Natürlich kann man sagen: Das ist nur Strategie. Das ist nur Struktur. Aber wo ist die Grenze zwischen Struktur und Manipulation?
Und wo ist der Raum für echte Begegnung, wenn alles durchgeplant ist?
Irgendwann letztes Jahr konnte ich nicht mehr und habe mein Gewerbe abgemeldet. Ich habe gesagt: Ich will nicht mehr als Marketingberaterin arbeiten. Nicht so. Schon die Berufsbezeichnung weckt inzwischen falsche Erwartungen. Denn die meisten, die heute kommen, wollen wissen „wie man das macht“. Was nichts anderes heißt, als wie man es macht, um Menschen zum Kauf zu führen.
Doch ich lehne Marketing nicht grundsätzlich ab. Vielmehr kann ich diese Form nicht mehr vertreten. Es widerstrebt mir, diese Erwartungen zu erfüllen. Menschen zu zeigen, wie sie Druck aufbauen. Menschen als unmündige Wesen anzusehen, die keine eigenen Entscheidungen treffen können.
Mein System hat gesagt: Nein. Jetzt geht das nicht mehr.
Das war keine rationale Entscheidung. Es war ein klares Nein aus meinem Inneren. Ein Nein, das stärker war als jede Vernunft.
Was das bedeutet
Und jetzt?
Jetzt passe ich nirgendwo mehr rein.
Ich habe kein Gewerbe mehr. Ich bin keine Marketingberaterin mehr. Ich spiele nicht mehr mit. Ich muss meinen eigenen Weg finden.
Aber was ist die Alternative?
Mitspielen und meine Integrität aufgeben? Das geht nicht mehr. Weil es mich aushöhlen würde – und es kostet zu viel Energie, dem dauerhaft zu widerstehen. Schweigen und mich zurückziehen? Das fühlt sich auch nicht richtig an. Ich habe zu viel zu geben. Und, was noch wichtiger ist …
Diese Welt braucht Vielfalt, nicht Gleichförmigkeit!
Also bleibt nur: Neue Systeme gestalten.
Nicht gegen das alte Spiel. Sondern parallel dazu.
Systeme, in denen Wahrhaftigkeit möglich ist. In denen Verbindung nicht funktionalisiert wird. In denen Menschen als mündig betrachte und behandelt werden – und nicht als Zielgruppe, die man „abholen“ muss.
Vielleicht ist das der Preis: Wenn du nicht mehr in Formen passt, musst du neue gestalten.
Das kostet etwas. Es kostet dich das Gefühl von Sicherheit. Du gehst das Risiko ein, nicht mehr dazuzugehören – was sich mit der Zeit durchaus zum Kreativitätsverstärker zeigen kann. Es kostet dich die Gewissheit, dass es funktioniert.
Es ist eben noch nicht geprüft, aber es ist deins.
Es gibt dir etwas zurück, was du sonst mit der Zeit verlierst: Deine Klarheit.
Klarheit darüber, wer du nicht bist. Was nicht deinen Werten entspricht. Was sich für dich stimmig anfühlt. Und genau dadurch findest du zu deinem eigenen Weg.
Die Einladung
Nicht jeder muss aussteigen. Das alte Marketingspiel funktioniert für viele – und das ist okay. Manche Menschen brauchen Struktur. Manche Menschen brauchen Sicherheit. Für sie sind die Werte in diesem Spiel okay. Für sie passt das System.
Aber wenn du dich an dem, was du täglich online erlebst, nur noch reibst. Weil es nervt, dein System dagegen rebelliert, und du merkst, dass es dich aushöhlt.
Wenn du merkst, dass du nicht mehr mitspielen willst, dann darfst du gehen.
Du musst niemanden überzeugen. Du musst dich nicht rechtfertigen.
Du darfst einfach wählen: Wie viel Nähe oder Distanz brauchst du zu diesem Spiel, um bei dir zu bleiben?
Und dann darfst du experimentieren. Du darfst scheitern. Wieder aufstehen und weitermachen. Deinen individuellen Ausdruck finden. Deine Frequenz aussenden, und schauen, was geschieht. Die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt, wenn darauf jemand positiv reagiert (ist unbezahlbar).
Nicht weil du weißt, dass es funktioniert, sondern weil du weißt, wer du nicht bist.
Und wenn du dann aus deiner eigenen Frequenz heraus sprichst, ist es keine Conversion-Story mehr. Es ist Resonanz.
Und vielleicht – vielleicht funktioniert es genau deshalb.
Herzlichst
Claudia
P.S. Deshalb baue ich jetzt DER TISCH – einen Raum, in dem Wahrhaftigkeit möglich ist. Nicht weil ich die Lösung habe, sondern weil ich sie mit anderen suchen will. Mehr erfahren
Liebe Claudia,
wir laufen den falschen Zielen hinterher. Solange wir Geld/Umsatz mit dem eigentlichen Schatz verwechseln, der die Welt entwickelt, reden wir von Conversion, Marketing und Tricks, um Menschen zu manipulieren. Deine Worte resonnieren sehr mit meinem Herzen! Um eine lebensfreundliche Zukunft zu gestalten geht um Resonanz, gemeinsame Entwicklung, Natur, Vielfalt in der Einheit.
Ich finde deinen Weg mutig und weise! Danke für deine Inspiration!
Eva
Liebe Eva, manchmal denke ich, dass es viel weniger um Ziele, denn um Absichten geht. Danke, dass du deine Gedanken hier geteilt hast.